Detlef M. Plaisier

Autor, Journalist und Verleger mit Herz für Ehrenamt und Politik

Nicolaus de Lyra diktiert seinem Schreiber. Wiblingen, 1454. Quelle: Württ. Landesbibliothek Stuttgart

Stadt-, Dorf- und Burgschreiber: Literarisches Schreiben auf Zeit

 

In den USA und Grossbritannien nennt man es „Fellowship“ oder „Writer in Residence“. Im deutschsprachigen Raum gibt es diese Einrichtung in verschiedenen Varianten als Stadt-, Dorf-, Burg-, Turm- oder Inselschreiber.

"Stadtschreiber" ist eine historische Bezeichnung und in Deutschland seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Stadtschreiber waren städtische Beamte, leiteten die städtischen Kanzleien und besorgten den gesamten Schriftverkehr. Viele von ihnen hatten eine juristische Ausbildung.

Heute steht der Begriff in Variationen für die Einladung einer Stadt oder Gemeinde an einen Künstler, in ihren Mauern für einen begrenzten Zeitraum ungestört und ohne finanzielle Sorgen an eigenen Projekten zu arbeiten. Die meisten Ausschreibungen beziehen sich auf literarisch Tätige. Die Spanne reicht von einem Monat bis zu einem Jahr, meist sind es drei bis sechs Monate. Das monatliche Stipendium bewegt sich in der Regel um den Betrag von eintausend Euro, dazu wird eine Unterkunft gestellt. Erwartet wird eine Teilnahme am künstlerischen Leben in der Stadt oder Gemeinde des Stipendiengebers, etwa durch Lesungen und Workshops. Den ersten Stadtschreiber rief in Deutschland die Gemeinde Bergen-Enkheim im Jahr 1974 aus. Berufen wurde Wolfgang Koeppen, in der Jury saßen Heinrich Böll, Marcel-Reich-Ranicki und Hans-Werner Richter.

Zugegeben: Ja, das ist verlockend. Aber man muss sich ehrlich prüfen: Ein neue Umgebung bedeutet Trennung von täglichen Abläufen und Aufbau neuer Routinen auf Zeit. Und das Alltagsgeschäft von Zuhause, Mails, Briefe, können ja auch nicht komplett ausgeblendet werden.

2014 hatte ich mich auf ein Amt als Burgenblogger am Mittelrhein für das Jahr 2015 beworben. 2022 wage ich es nach langer Überlegung mit der Bewerbung auf drei ganz unterschiedliche Schreiberstellen noch einmal: Als Stadtschreiber in Otterndorf an der Nordsee, als Burgschreiber auf der Burg Beeskow in Brandenburg und in Eisenbach im Hochschwarzwald als Dorfschreiber. Für die Bewerbungen in 2022 hat mir Anja Andabaka jeweils eine individuelle MindMap gezeichnet (art-andabaka.de). Danke!